Youtube Shorts: Was kann der neue Tiktok-Konkurrent? (2024)

Kurze, prägnante Clips im Hochformat: Was Tiktok gross gemacht hat, bietet Youtube mit Shorts jetzt auch hierzulande. Was taugt der Dienst?

Marit Langschwager

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Tanzvideos, Katzenclips und Kuriositäten aus aller Welt. Wer einmal die Tiktok-App öffnet, kommt so schnell nicht mehr davon los. Binnen kürzester Zeit ist die chinesische App zu einem globalen Phänomen geworden. Und auch die Nachahmer liessen nicht lange auf sich warten: Instagram entwickelte Reels, und Snapchat realisierte Spotlight.

Jetzt will auch Youtube auf der Erfolgswelle mitreiten und hat einen neuen Dienst aus dem Boden gestampft. Mit Shorts lanciert der Konzern ein eigenes Feature für Kurzvideos. Der Dienst ist in mehr als hundert Ländern auf der ganzen Welt verfügbar – darunter auch die Schweiz.

Warum setzt Youtube jetzt auch auf Kurzvideos?

Während der Tiktok-Hype weiter anhält, werden mobil produzierte und konsumierte Kurzvideos zum Trend, den viele kopieren. Auch Youtube hat dieses Potenzial erkannt: «Hochformatvideos sind begehrt, und daher füllt der Dienst eine Lücke, die es bei Youtube bisher gegeben hat», erklärt der Social-Media-Experte Philippe Wampfler auf Anfrage der NZZ. «Das Modell ist natürlich eins zu eins von Tiktok abgekupfert.» Auch er beobachtet, dass «sich das Unternehmen ein Stück vom Kuchen abschneiden» will.

Likes und Views sind bei Tiktok ausschlaggebend dafür, ob ein Video erfolgreich ist oder nicht. Auch Youtube will diese Handlungsweise nutzen: «Mit der Option, die kurzen Clips in kürzester Zeit auszuspielen, hat das Unternehmen eine neue Möglichkeit geschaffen, um die Präferenzen der Youtube-Nutzer zu filtern», sagt Wampfler. Durch die prägnanten Videoschnipsel könne der Algorithmus stetig gefüttert und noch besser an die Vorlieben des Anwenders angepasst werden.

Dennoch gibt es Unterschiede zwischen den Playern: Youtube hat einen enormen politischen und popkulturellen Einfluss. So kann Shorts direkt in die normale Youtube-App integriert werden und erreicht damit auf einen Schlag Hunderte Millionen von Nutzern. «Auch die Inhalte von Instagram und Tiktok können auf Youtube ausgespielt werden. So generieren die Nutzer dieser Plattformen noch mehr Reichweite», betont Wampfler.

Wie funktioniert der Dienst?

Die Ähnlichkeit zu Tiktok ist nicht abzustreiten. Die Länge der Videos und das vertikale Scrollen haben viel mit der chinesischen App gemeinsam. Hier geht es aber auch um den Konsum der Videos und um die Aktivität von Youtube-Akteuren. Die maximale Länge der Videos liegt bei 60 Sekunden, bei Tiktok sind es inzwischen 180 Sekunden. Der Kern von Shorts ist der sogenannte Create-Mode – auch hier lassen sich die Inhalte ausschliesslich mit dem Smartphone erstellen.

Bei der Shorts-Kamera gibt es verschiedene Tools: Unter anderem können mehrere Videoclips aneinandergereiht oder ein Timer verwendet werden. Der Nutzer kann die Clips im Nachhinein einzeln beschleunigen und verlangsamen.

Ähnlich wie beim chinesischen Konkurrenten sucht ein Algorithmus automatisch die Videos aus und spült sie in die App. Wenn dem Nutzer ein Clip nicht gefällt, wischt er nach oben, schon folgt ein neues Video. Wenn die Präsentation überzeugt, vergibt man ein Like und beeinflusst so die Auswahl, an der sich der Algorithmus orientiert. Derzeit gibt es aber noch keine Option, die Shorts gezielt nach persönlichen Interessen zu durchsuchen.

Was ist das Besondere daran?

Kein Video ohne Musik – auch Shorts kann auf diese Funktion nicht verzichten. Auf Youtube gibt es ohnehin eine grosse Auswahl von Songs, die regelmässig aktualisiert und erweitert wird. Diese Songs können für die eigenen Shorts genutzt werden.

Bei der Verwendung von fremdem Material mussten die Nutzer bisher vorsichtig sein. Youtube unterzieht Videos einer rigorosen Prüfung. Clips, die bei diesem automatisierten Verfahren durchfallen, können gesperrt werden. Jetzt nutzt die Plattform das Format, um bestehende Inhalte miteinander zu verknüpfen. Klicken die Nutzer auf einen Song, welcher in Shorts verwendet wird, kann nicht nur diese Musik für ein eigenes Kurzvideo ausgewählt werden, es gibt auch noch weitere Verknüpfungen, beispielsweise zum offiziellen Videoclip.

Ebenfalls ein Alleinstellungsmerkmal: Die begehrte Youtube-Funktion der automatischen Untertitel findet sich im neuen Format wieder. Die eigenen Shorts können so mit nur einem Klick untertitelt werden.

Wird sich Youtube Shorts durchsetzen?

Durch Shorts haben Videos eine ganz neue Möglichkeit, viral zu gehen. Denn Youtube platziert erfolgreiche Clips auf der Startseite, und somit steigt auch die Chance, von weiteren Anwendern entdeckt und abonniert zu werden. Doch viele Menschen schauen auf Youtube bedeutend längere Videos oder gar stundenlange Filme. Daher wäre es möglich, dass nicht alle Nutzer eine App für alles haben wollen und lieber beim klassischen Modell bleiben.

Youtube möchte Creators zudem die Möglichkeit geben, mit Shorts Geld zu verdienen. Dazu wurde der Youtube Shorts Fund über 100 Millionen Dollar angelegt, der in den Jahren 2021 und 2022 ausbezahlt werden soll. Die Plattform geht auch hier denselben Weg wie Tiktok, Snapchat oder Facebook.

Letztlich macht das Unternehmen einen weiteren Schritt, um die Plattform zu transformieren und sich auszuprobieren. Der Social-Media-Experte Wampfler sieht in dem neuen Dienst zudem eine Möglichkeit, das Image des Videogiganten aufzupolieren: «Es könnte auch ein Bedürfnis des Unternehmens sein, die Funktion zu nutzen, um die oft politisierten Inhalte der Plattform zu entschärfen.»

Wampfler sieht das Tool als grosses Experiment von Google, das ebenso schnell wieder eingestampft werden könnte. Doch die Cross-Postings und die Möglichkeiten der Wiederverwertung, die dem Nutzer eine Spielwiese der Kreativität ermöglichten, seien vielversprechend. Das Experiment könnte letztlich sogar gelingen.

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Reto Stauffacher

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